Künstlerisches Umfeld

Ein Zeitungsartikel aus den Hamburger Nachrichten vom Mai 1926

Bekenntnisse eines Malers von Sophus Hansen

Während des Monats Mai veranstaltet das Kunsthaus Heumann, Stadthausbrücke Nr. 13, eine Kollektivausstellung des Malers Sophus Hansen. Über die Ziele, die Hansen erstrebt, und die Wege, auf denen er diese Ziele zu erreichen versucht, unterrichtet in fesselnder Form die beifolgende, von dem Künstler selbst verfasste Abhandlung.

“Meine künstlerische Laufbahn begann Anfang der 90er Jahre unter dem Zeichen des sich damals in Deutschland bahnbrechenden Impressionismus. Zunächst wurde ich natürlich von den neuen Ideen mit fortgerissen, wenn auch mit inneren Hemmungen. Ich ahnte schon dunkel, dass dies nicht mein Weg wäre. Aber die Verführung war groß. Denn ohne gründliches Zeichenstudium vergnügt mit der Farbe drauflosbatzen reißt wohl jeden jungen Kunstadepten mit. Doch lange befriedigte mich dieses Treiben nicht. Die Lust zum Fabulieren lag mir von je im Blut. Dazu brauchte ich aber klare Form und Linie, die auf diesem Wege nicht zu erreichen waren. Ich sah mich daher bald nach anderen Göttern um. Böcklin und Thoma boten mir viel, und ich ließ mich durch ihre Romantik und ihre technischen Versuche anregen. Auch Schwind, Richter, C. D. Friedrich und Waßmann studierte ich eifrigst. Doch technisch und formal standen mir die alten Meister noch viel näher. Das wurde mir besonders klar bei einem Besuch der Selbstporträtsammlung in den Uffizien in Florenz. Da hängt gute neue Kunst neben guter alter und fordert zum Vergleich heraus. Der fiel in meinen Augen für die neue Kunst vernichtend aus. Sie erschien mir geradezu als ein technischer Zusammenbruch.Und es überkam mich wie eine Erleuchtung, dass der Mangel eines soliden technischen Unterbaus die Wurzel alles Übels in der Kunst von heute ist. Es stand für mich fest, die Technik der Alten gründlichst zu studieren. Die Möglichkeit war vorhanden durch die in letzter Zeit gemachten großen Fortschritte der Wissenschaft auf diesem Gebiet und auf dem der Materialkenntnis, außerdem durch gleiche Bestrebungen hier und da im Reiche, besonders in München.Der Weg aber war lang und dornenvoll und stark gehemmt durch den zeitraubenden Gelderwerb für’s tägliche Brot; und – ich bin noch lange nicht am Ende, ich werde dahin auch nicht gelangen. Dazu gehören mehrere Generationen. Aber trotz allem fühle ich mich, seitdem ich ihn eingeschlagen habe, erst wohl in meiner Haut.Ich nahm mir besonders die Maler der klaren Form, Linie und Farbe zum Vorbild, wie van Eyck, Holbein, Dürer, Grünewald, Memling, Botticelli, baue meine Bilder nach ihren Vorschriften solide von unten auf: gründlich durchgezeichneter Karton, Übertragung auf die Leinwand, Imprimitur, Unter- und Übermalungen bis zur gewünschten Wirkung. Da wachsen selbst harte Kontraste zu harmonischer Wirkung zusammen.

Bin ich nun deshalb ein Eklektiker? Keineswegs! Denn ich suche auf der soliden technischen Basis der Alten durch gründliches Naturstudium meinen eigenen Stil. Anders haben es auch die größten Maler aller Zeiten nicht gemacht. Nur sich selbst überschätzende Jugend kann glauben, aus sich, ohne Anknüpfung an die Tradition, eine neue Kunst schaffen zu können.Ich sehe in den jüngsten Bestrebungen ganz ähnliche Ziele. Besonders die Bewegung der „neuen Sachlichkeit“ begrüße ich als wesensverwandt. Kubismus und Expressionismus trugen die Todeskeime in sich. Sie mussten, nach Goethe, weil sie sich von der Natur entfernten, in Manier erstarren. Wohl aber haben sie das Verdienst, uns vom bloßen Naturabmalen befreit zu haben.

Zum Schluss möchte ich noch einige Aussprüche anführen, die für mich Richtschnur waren. Ich zitiere nicht wörtlich: Nietzsche: Nicht durch das negative Prinzip des Unterdrückens der Details soll der Künstler Größe erzielen, er wirkt dadurch vielmehr leer, sondern durch das positive Prinzip des Hervorhebens des Wesentlichen. – Nicht durch die Stärke, sondern durch die Dauer der künstlerischen Begeisterung unterscheidet sich der große Künstler von dem kleinen. Goethe: Skizzenhafte Bilder können wohl den Geist anregen, aber nie die höchste Wirkung der Kunst, die der inneren Harmonie, erzielen. Zitat eines vergessenen Autors: Ein nur gemaltes Bild hat an sich nur geringen Kulturwert. Erst wenn es eine Emanation der Volksseele ist, erhält es einen besonderen Wert.

Dann möchte ich noch betonen, dass ich beileibe nicht der Deutschtümelei das Wort reden möchte. Deutschland ist ein Mischvolk, und jeder soll malen, wie sein Blut es fordert. Trotzdem empfehle ich jedem Jungen vor allem das Studium unserer alten deutschen Meister. Deren Einfluss wird sich keiner ganz entziehen können, semper aliquid haeret! Nur so können wir zu einer neuen deutschen Kunst kommen, von der wir noch weit entfernt sind. Warum machte der französische Impressionismus einen solchen Siegeszug um die Erde? Weil er wie keine frühere Richtung dem Charakter dieses Volkes entsprach und daher auch auf Nichtfranzosen überzeugend wirkte. Warum kauft fast kein Ausländer deutschen Impressionismus? Von anderen aus dem Ausland bezogenen „ismen“ rede ich gar nicht.Wohl ist die Kunst international insofern, als die gute Kunst der ganzen kultivierten Menschheit gehört, aber der Künstler muss national denken und fühlen, d. h. fest in deutscher Kultur wurzeln. Aber, bitte, mit Politik hat das nichts zu tun.“

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